Das Hofbauer-Kommando und das Filmkollektiv Frankfurt paaren sich ein Wochenende lang:
Lange bevor das Filmkollektiv Frankfurt sich gründete (im Frühjahr 2013) begann das Wirken des Hofbauer-Kommandos um die Wiederentdeckung und Neubewertung des deutschen Filmerbes. Mit Murnau, Lang und Volker Schlöndorff beschäftigen sich genug Archive, wer aber erhebt seine Stimme zugunsten von Ernst Hofbauer, Jürgen Enz, José Bénazéraf? Filmemacher, mit denen die Filmgeschichte so nonchalant-selbstvergessen verfährt wie sie selbst mit einigen ihrer Sujets, die aber eine stete Neubewertung und neue Öffentlichkeit deshalb nicht minder verdienen.
Der Letztgenannte, französischer Regisseur, steht beispielhaft für das Interesse des Hofbauer-Kommandos auch über die deutschen/deutschsprachigen Produktionsgrenzen hinaus, denn sie sind cineastische Weltbürger von unerschöpflicher Offenheit.
All diese Perlen, Skurrilitäten, Abgründe, Top-Meisterwerke des heimischen und internationalen Filmschaffens der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts präsentiert das Hofbauer-Kommando seit knapp vier Jahren dreimal jährlich im Nürnberger Kommkino (ein in Deutschland wohl einmalig atmosphärischer, bahnhofskinoartiger Kinoraum von vibrierender Intimität) und seit einiger Zeit auch im Nürnberger Filmhaus sowie im Uferpalast in Fürth. In der Anfangszeit waren diese “Hofbauer-Kongresse” noch Zusammenkünfte von Eingeweihten, privat und klandestin Eingeladenen, es wurden VHS-Umkopierungen auf DVD projiziert, man traf sich eine Nacht lang, zwei Nächte und dann erst Monate später wieder; nicht lange darauf, als die Kunde von dieser schönen Ungeheuerlichkeit sich immer mehr verbreitete, aus drei Teilnehmern acht und dann dreizehn wurden, begannen die Hofbauers auch die ersten 35mm-Kopien aus dem Archiv des Kommkino vorzuführen, die “Kongresse” (natürlich eine Verballhornung dieses erzformellen Tagungsformbegriffes) erreichten ihre inzwischen feste Länge von vier aufeinanderfolgenden Nächten. Denn in dieser Zeiteinheit bemisst sich die Uhr der “Hofbauer-Kongresse”.
Das “Hofbauer” im “Hofbauer-Kommando” und den “Hofbauer-Kongress” verdankt sich einem fruchtbaren nächtlichen Zufall, bei dem eine DVD von WENN DIE PRALLEN MÖPSE HÜPFEN (1974) in das Abspielgerät eingelegt wurde. Es ist ein Film des Regisseurs Ernst Hofbauer, der schon in seinen ersten Minuten eine unfassbare Salve an derbhumorigen Sprüchen losfeuert, dass man nicht weiß, wie einem geschieht. Ein Hochplateau der Glückseligkeit, das sich vor ihnen am laufenden Band mehr und mehr erschloß. Dass diese Art von deutschem Kino so wenig bekannt ist und in der offiziellen Filmgeschichtsschreibung bewusst verleugnet, war der Antrieb, sich im aktivistischen Sinne zusammenzufinden, zum inzwischen vierköpfigen – eben, Hofbauer-Kommando.
À propos Filmgeschichtsschreibung: zu der vom Kommando betriebenen gehört ganz markant auch die Erschaffung eines neuen Inventars an Filmklassifizierung. Wer einmal in den lockenden Sirenenstrudel solcher Begriffe wie “Frühschmier”, “Trunst” oder “Schlumor” geraten ist, wird sich schnell dabei ertappen, diese Termini selbst anzuwenden. Die sonst eher unscheinbaren Worte “trüb” und “trist” sind nun ganz vorzügliche zwei Beispiele einer Reevaluierung der deutschen Sprache (so wie sie auch das Filmbewusstsein und vieles mehr in ihrer Konsistenz herausfordern), des Auslotens der Elastizität ihrer Wortgehalte. “Trüb” meint so etwas unaufregend und zermürbend Ennuierendes (ggf. auch in der Zusammensetzung “naturtrüb”), “trist” beinhaltet ein Ähnliches in positiver Ausprägung.
“Mir platzt gleich die Hose”, sagt ein junger Stecher zum Mädel in den erwähnten ersten fünf Minuten der MÖPSE. In den Gesprächen nach den Filmen im Rahmen der Kongreße ist dies eine der vielen sprachschöpferischen Wendungen, die man anführen kann, um zu sagen: das war etwas Dolles!
Sie vorzustellen ist das eine, sie in real erleben das Wahre. Diese Gelegenheit bietet nun der Frankfurter “Sondergipfel”.
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