Barbara Sass (1936–2015) ist eine der bekanntesten Regisseurinnen in Polen und wird dort für ihre Filme und vor allem für deren feministischen Gehalt geschätzt. Dem Publikum hierzulande ist sie jedoch kaum unbekannt. Das liegt vielleicht auch daran, dass Filme unter ihrer Regie durchgängig keinen leichten Themen gewidmet sind. Vielmehr werden in den Filmen die Mechanismen von Macht, Liebe und Hoffnung schmerzhaft erlebbar. Einige ihrer Filme wurden seinerzeit auf renommierten Festivals in Europa gezeigt und ausgezeichnet.
Die Settings ihrer Geschichten spielen in vielfältigen Milieus; etwa in einer Redaktion, einem Pflegeheim, im Gefängnis, auf Reisen mit einem Filmstar oder in einem Armenviertel. Auch der Stil ändert sich mit den Filmen – etwa zu stechenden Farben und wilden Kamerafahrten im Warschau der 80er oder grauer Tristesse und vielen Nahaufnahmen im Kloster und Gefängnis Anfang der 1950er. Das teilweise theatralische Schauspiel bringt Potential zu einer Reflexion des Gesehenen.
Mit Bez miłości wurde Sass gleich durch ihr Langfilmdebüt bekannt. Ihre beiden darauf folgenden Filmen, die ebenfalls im zeitgenössischen Polen spielen, vermitteln so ein starkes Zeitbild. Durch die Verfilmung eines Romans von Pola Gojawiczyńska, der in der Zwischenkriegszeit spielt, Dziewczeta z Nowolipek, und im Polen unter stalinistischer Herrschaft, in Pokuszenie, warf Sass nach dem Ende des Sozialismus in Polen zudem kritische Blicke zurück in die Vergangenheit. Sich selbst und ihre Arbeit reflektierte Barbara Sass in Historia niemoralna. Der Film spielt mit der Diegese des Films am Schneidetisch und nimmt das Image der Schauspielerin Dorota Stalińska auf, die in den ersten drei Spielfilmen Sass‘ eine Hauptrolle einnahm.
Auch über die Zusammenarbeit mit der Editorin Maria Orłowska-Skoczek und ihrem Kamera- und Ehemann Wiesław Zdort in all ihren Langfilmen zeichnet sich ab, dass ihre Filme als Gemeinschaftswerke zu sehen sind.
Am Beginn ihres Filmschaffens stand der Film Sycylia, den sie 1957 an der Filmhochschule in Lodz drehte. Anschließend arbeitete sie ab dem Jahr 1960 als Regieassistentin, unter anderem bei Andrzej Wajda und Wojciech Jerzy Has. Doch erst im Alter von 44 Jahren drehte sie 1980 ihren ersten Langfilm unter eigener Regie. Dies lag auch an der strukturellen Diskriminierung von Frauen im Filmbereich. Nach ihrer eigenen Aussage bekam sie die Chance für einen eigenen Film erst, als sie sich nicht mehr wie eine „wohlerzogene Frau“ verhielt, sondern vielmehr wie die anderen Männer in ihrer Umgebung.
Nach 12 Langfilmen in 20 Jahren drehte sie nach 1999 jedoch viele Jahre lang keine Filme mehr. Erst im Jahr 2011 realisierte sie ihren letzten Film. 2015 starb Barbara Sass im Alter von 78 Jahren.
Die Filme dieser Werkschau, die Sass‘ Schaffen erstmals in Deutschland präsentiert, werden überwiegend in 35mm-Kopien gezeigt.
Die Reihe wird von Valentin Herleth kuratiert.
FILMPROGRAMM ÜBERSICHT
Herzlichen Dank an:
Natascha Gikas, Andreas Beilharz (DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum)
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Filme der Reihe
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